Hat die Digitalisierung das Buch gekillt?

Digitalisierung und Buchhandel - wie passt das zusammen?

Lilly Ludwig von der Nürnberger Traditionsbuchhandlung Jakob zu Gast beim GELB-Podcast

Digitalisierung als Todfeind der Buchbranche, oder etwa doch nicht? Wie konnte sich der weit verbreitete Glaubenssatz so fest etablieren? Warum sollte man die Digitalisierung eher als Chance für die Buchbranche sehen? In dieser Ausgabe unseres Digital-Podcasts GELB räumt die studierte Literaturwissenschaftlerin und Buchexpertin Lilly Ludwig mit verstaubten Klischees auf, steckt uns mit ihrer Begeisterung für das Lesen an und spricht über den Mehrwert, den die Digitalisierung für die Buchbranche haben kann. 

Hat die Buchbranche ihr angestaubtes Image überhaupt verdient?

Das gedruckte Buch galt seinerzeit als revolutionäre Erfindung. Ein Sprung vom 15. Jahrhundert ins heutige Zeitalter zeigt, dass dieses Image gelitten hat. Bücher werden oft als altmodisch und langweilig wahrgenommen. Einer der Gründe dafür ist, dass die Buchbranche über Jahrhunderte „von allein“ gelaufen ist. Lesen war immer ein Teil von Bildung und gehörte zum Alltag. Darauf hat sich die Branche ausgeruht und den Anschluss an agile und moderne Ansätze ein bisschen verpasst. Im krassen Gegensatz dazu steht die Digitalisierung. Sie ist modern, neu und aufregend. Im Podcast hört ihr, warum beides seine Daseinsberechtigung hat, Buch und Digitalisierung sich nicht widersprechen und dass die Buchbranche immer mehr daran arbeitet, digitale Prozesse und Angebote zu integrieren.

 

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Buchhandlung Jakob: Mit gutem Vorbild voran

Die unabhängige Buchhandlung im Herzen der Nürnberger Innenstadt ist, gerade was das Team angeht, keine typische Buchhandlung. Alle sind um die 30 Jahre alt und nicht alle sind ausgebildete Buchhändler*innen. Viele kommen über andere Wege, was es dem Team ermöglicht alte Prozesse zu hinterfragen und neue Herangehensweisen zu integrieren. Das beginnt schon bei der Auswahl des Sortiments. Bei 80.000-90.000 Neuerscheinungen pro Jahr muss selektiert werden, was in die Auslage kommt und was eben nicht. Die Möglichkeit meinungsbildend zu arbeiten, Themen in das Sortiment mit aufzunehmen, hinter denen das Team steht und sich durch die Auswahl von anderen Buchhandlungen zu unterscheiden, ist 

ein spannender Aspekt des Berufs. Im Rahmen dieser Verantwortung gehört es auch dazu, dass manchmal Werte über den monetären Erfolg gestellt werden müssen. 

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E-Book oder gedrucktes Buch, das ist hier die Frage 

Die Pandemie hat dazu beigetragen, dass im digitalen Bereich viel vorangegangen ist. Dem Buch wurde allerdings schon vor ein paar Jahren, während des E-Book Hypes, der Tod vorhergesagt. Bis heute macht der Umsatz von digitalen Büchern allerdings nur 5,9% aus. Die meisten Nutzer sind zwischen 50 und 59 Jahren alt, so dass eher ein leichteres Gewicht, die Bildschirmhelligkeit und die Verstellbarkeit der Schriftgröße Faktoren sind, die als Argument für einen E-Book Reader sprechen. Junge Menschen sind der Digitalisierung oft überdrüssig, das fördert den Drang ein analoges Buch in der Hand zu halten. Das Rascheln und den Geruch eines Buchs, haben viele noch immer gerne. Natürlich ist das ein romantisiertes und nostalgisches Gefühl, aber man darf das Gewicht solcher Emotionen nicht unterschätzen. 

Egal ob E-Book oder gedrucktes Buch: viel wichtiger ist, dass man überhaupt liest. In welcher Form ist da erstmal egal. 

Wie hat sich das Leseverhalten der Menschen in den letzten Jahren verändert?

2018 gab es eine große Studie über das Leseverhalten. Dabei kam heraus, dass Lesen für viele in die Kategorie „Wellnessaktivität“ fällt. Lesen wird also als Luxus eingestuft. Das Ziel der Buchhandlung Jakob ist es, Menschen zu zeigen, wie gewinnbringend und schön es sein kann sich Zeit zum Lesen zu nehmen. Je nach literarischem Wert kann man für sich selbst etwas mitnehmen und in den Alltag integrieren. Der Anfang fällt oft schwer. Wir sind es mittlerweile gewohnt, dass viel auf einmal passiert. Beim Lesen muss man sich auf eine Sache fokussieren. Das bedarf Übung, aber es lohnt sich. Auch Podcasts und Hörbücher sind eine tolle Möglichkeit sich weiterzubilden, abzutauchen oder zu entspannen. Hier hat die Branche den Einstieg verpasst und Streamingdiensten von Anfang an das Feld überlassen. Keiner der zwei größten Anbieter ist vom deutschen Buchmarkt. Deshalb ist es wichtig in anderen Bereichen die Digitalisierung aufzunehmen. 

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Einzelhandel und Digitalisierung

Während des Lockdowns hatten viele Buchhandlungen mit Problemen zu kämpfen. Sie mussten zumachen und hatten keine Möglichkeit weiter zu verkaufen, da sie keine Onlineshops hatten. Selbst namhafte Läden, wie der City Ligths Bookstore in San Francisco, haben zu Crowdfunding aufgerufen. Ein Onlineshop ist heute essenziell für den Einzelhandel und muss als Ergänzung zum lokalen Geschäft gesehen werden. 70% des Jahresumsatzes werden in den 4 Wochen vor Weihnachten gemacht. Genau in diese Zeit fiel der erste Lockdown. Innerhalb von kürzester Zeit wurden in der Buchhandlung Jakob Ideen zusammengetragen und umgesetzt, wie man weiterhin eine Kundenbindung und das Geschäft aufrechterhalten kann. Denn gerade in der Pandemie hatten die Leute mehr Zeit zum Lesen. Vom Lieferservice mit dem Fahrrad, über Newsletter, einer online Buchsprechstunde und einem individuellen Buch Abo, war alles dabei. Manchmal braucht es eine Krise oder einen Trigger, um neue Lösungen zu finden und um die Ecke zu denken. 

Hat Digitalisierung das Buch gekillt?

Die Digitalisierung hat vielleicht ein bisschen das Lesen gekillt. Unsere Aufmerksamkeitsspanne wird immer kleiner und Lesen ist kein so großer Bestandteil mehr im Leben. Je mehr die Welt sich um uns herum digitalisiert, desto höher wird allerdings der Stellenwert von handwerklich hochwertig gestalteten Dingen. 

Was hat Lesen mit Meditation zu tun? Warum wäre Lilly Ludwig manchmal gerne IT-lerin?  Wie verbessern Bücher die Lebensqualität und existieren sie irgendwann nur noch digital? Und: Warum man Geld und Status nie über seine Leidenschaft stellen sollte! Das alles hört ihr in der aktuellen Ausgabe von GELB. 

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