Zwangsverheiratet mit 16: Die Frau, die aus dem Iran flüchtete

"Ich durfte nicht mal selber denken": Saghar Kia und ihre Flucht nach Deutschland

Saghar Kia: Die Frau, die aus dem Iran flüchtete

Am 10.Dezember is Tag der Menschenrechte. Ein Tag, der leider auch dieses Jahr dringend nötig ist. Denn auch 2022 erleben wir in den Medien jeden Tag live mit, wie katastrophal die Zustände auf unserem Planeten noch sind. Nur 5 Flugstunden verbinden uns in Deutschland mit dem Iran. Ein Land, in dem das Leben einer Frau nur halb so viel wert ist, wie das eines Mannes. Ein Land, in dem Menschen, die für Menschenrechte protestieren, erhängt werden. Und auch das Heimatland von Saghar Kia – der Frau, die aus dem Iran flüchtete. Saghar ist zu Gast in unserem Podcast STORYWELT, um ihre besondere Geschichte mit uns zu teilen und auch um über den Fall Mahsa Amini zu sprechen.

Zwangsverheiratet mit 16

Früh musste Saghar im Iran feststellen, dass ihr Leben als Frau nur halb so viel wert ist wie das eines Mannes. Mit nur 16 wurde Saghar von ihrem Onkel zwangsverheiratet. Mit einem Mann, den sie nicht liebte. In eine streng-gläubige Familie, die gegenüber der Moschee wohnte. Doch irgendwann entschied sich Saghar dazu, ihr Recht darauf wahrzunehmen, zu lieben wen sie wollte. Deshalb trennte sie sich von ihrem Mann. Doch auch wenn ihr Ex-Mann die Trennung zuließ, sollte er ihr das Einzige nehmen, was sie zu diesem Zeitpunkt noch hatte: Ihre Tochter.

Verzweifelt suchte Saghar nach Lösungen, doch schnell wurde ihr klar: Als Frau im Iran stehen die Chancen schlecht. Vor Gericht brauche sie es erst garnicht versuchen, dort sei sie ohnehin nur ein „halber Mensch“. Um zu verhindern, dass ihre Tochter das gleiche Leid erleben würde wie sie, tat sie etwas, das ihr Leben grundlegend verändern sollte. Sie schnappte sich ihre Tochter und flüchtete.

Flucht aus Iran: Der Beginn eines neuen Lebens

In Deutschland angekommen, landete sie im Asylheim in Bamberg. Ihre Erinnerungen an diese Zeit sind gegen aller Erwartungen allerdings durchweg positiv. Hier erlebte sie etwas, das sie vorher nicht kannte: Akzeptanz und Freiheit. „Ich kann hier anziehen, was ich will, Ich kann sagen, was ich will, Ich kann sogar hier sitzen und ganz offen darüber sprechen“. In Deutschland fand sie die Familie, die sie nie hatte. Unterstützung bei der Wohnungssuche, Nachhilfe für die Tochter und ausgelassene Feste. Saghar konvertierte sogar zum Christentum.

Der Fall Mahsa Jina Amini

„Ich dachte mein Leben ist perfekt“, sagt sie, als im Podcast der Fall Mahsa Jina Amini aufkommt. Dann hat sie die schrecklichen Bilder im Fernsehen und auf sozialen Medien gesehen. Das weckte Erinnerungen an ihre eigenen Erfahrungen mit der Sittenpolizei. „Mahsa Jina Amini hätte auch meine Tochter sein können. Meine Tochter ist jetzt 13. Sie hätte das sein können, wenn ich im Iran geblieben wäre“.

Der Tod der jungen Mahsa löste Proteste im ganzen Land aus. Grund dafür war ihre Festnahme durch die Sittenpolizei am 16.09.2022. Sie habe ihre Kopfbedeckung, den Hijab, nicht richtig getragen und wurde deshalb in Gewahrsam genommen. Anschließend verstarb Mahsa. Auch wenn im Iran offiziell von Organversagen und Vorerkrankung die Rede ist, ist sich Saghar wie auch der Rest der protestierenden Iraner*innen sicher, was wirklich der Grund war: Mord durch die Sittenpolizei.

Team Mullah oder Team Melli?

Seitdem protestiert das iranische Volk im Glauben an den Erfolg einer Revolution. Doch das Regime zeigt sich uneinsichtig: Über 660 Menschen sind bisher getötet worden. Über 30.000 Menschen inhaftiert und teilweise auch in Erwartung der Todesstrafe. Schuldig gesprochen durch das Regime wegen „Krieg gegen Gott“ und „Korruption auf Erden“.

Die Hoffnung des iranischen Volkes ist es nun, diese katastrophalen Zustände in die Welt zu kommunizieren. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Fußball-Nationalmannschaft, welche auch bei der WM durch das Nicht-Singen der Hymne aufgefallen war. In Deutschland wurde mit viel Lob über diese Aktion berichtet. Für Saghar, allerdings, zu wenig. Ohnehin sei die Mannschaft nach ihrem Besuch beim iranischen Präsidenten kurz vor den Turnier in Ungnade gefallen. Sie seien nicht das Team Melli, sondern das Team Mullah.

Jetzt die neue Folge der STORYWELT mit Saghar Kia anhören